Kommandozentrale Autonomes Nervensystem

Kennst du dieses Gefühl, wenn du etwas in deinem Leben oder an deinem eigenen Verhalten ändern möchtest, weil du genau weißt, dass es dir nicht gut tut? Die Klarheit und der Wille sind da, nur so richtig klappen tut’s nicht, da dich deine alten Verhaltensmuster immer wieder einholen. Auch wenn uns sämtliche Persönlichkeitsentwicklungsbücher einreden wollen, dass wir alles erreichen können, wenn wir nur wollen und positiv denken – die Wahrheit sieht ein bisschen anders aus. Der Schlüssel für nachhaltige Veränderung und echte emotionale Heilung liegt nämlich nicht in unseren Gedanken, sondern in unserem Körper. Genauer gesagt liegt er in unserem autonomen Nervensystem.

Die Aufgabe unseres Nervensystems

Das autonome Nervensystem ist jener Teil unseres Nervensystems, der im Hintergrund alles regelt, was in unserem Körper automatisch – also unbewusst – abläuft: Herzschlag, Atmung, Verdauung, Blutdruck. Unser Nervensystem entscheidet in nur 14 Mikrosekunden, ob wir uns sicher oder bedroht fühlen und passt unsere körperlichen Reaktionen entsprechend seiner Einschätzung an. Im Vergleich dazu braucht unser Gehirn 24 Mikrosekunden, um eine Situation einzuordnen. Noch bevor unser Gehirn also auch nur ansatzweise versteht, was Sache ist, kann sich unser Körper schon im Überlebensmodus befinden.

Die einzige Aufgabe unseres autonomen Nervensystems ist es, unser Überleben bestmöglich zu sichern. Stell dir vor, du lebst in der Steinzeit. Du spazierst ganz gemütlich bei Sonnenschein aus deiner Höhle und setzt dich ins Gras. Weit und breit ist keine Gefahr zu erkennen, du bist ganz ruhig und entspannt. Plötzlich hörst du im Gebüsch etwas rascheln. Dein autonomes Nervensystem reagiert in nur 14 Mikrosekunden mit der Ausschüttung von Stresshormonen, die dich auf eine mögliche Flucht- oder Kampfhandlung vorbereiten – für den Fall, dass dir hinter dem Gebüsch ein Säbelzahntiger auflauert. Sofort werden alle körperlichen Prozesse, die im Hier und Jetzt nicht für dein Überleben notwendig sind, auf ein Minimum reduziert – damit wird sichergestellt, dass deine gesamte Energie für die notwendige Flucht- oder Kampfhandlung bereitgestellt werden kann. Neben sämtlichen Veränderungen in unseren Organen (z.B. schnellerer Herzschlag, flachere Atmung, etc.), wird deine gesamte Aufmerksamkeit aufs Außen gerichtet, sodass du in diesen Momenten das Gespür für dich und deinen Körper verlierst. Das ist auch der Grund, warum Menschen, die sich eine schlimme Verletzung zugezogen haben oder unter Schock stehen, keine Schmerzen wahrnehmen können. Ebenso nimmt dein rationales Denken schlagartig ab, denn das Blut, welches dein Gehirn für logische Denkprozesses benötigen würde, wird nun in deinen Muskeln gebraucht. Deinem Körper ist es quasi egal, ob du gedanklich gerade an der wichtigsten Fragestellung der Weltgeschichte arbeitest – wenn du vorher gefressen wirst, hat dir das auch nichts geholfen.

Zwischen Vergangenheit und heute

Nun sind Säbelzahntiger mittlerweile seit vielen Jahrtausenden ausgestorben – unser autonomes Nervensystem reagiert auf Bedrohungen aber immer noch gleich. Viele unserer heutigen wahrgenommenen Gefahren sind tatsächlich nicht mehr lebensbedrohlich und doch sind sie der Grund dafür, dass wir in einen unserer Überlebensmodi – auch bekannt als Fight-, Flight– oder Freeze-Modus – kippen. Unser autonomes Nervensystem vergleicht das Hier und Jetzt immer mit unseren individuellen Erfahrungen. Mit Momenten, die wir im Laufe unseres Lebens erlebt und die uns positiv wie negativ geprägt haben. Mit Dingen oder Aussagen, die wir als „richtig“ oder „falsch“, „gut“ oder „böse“ verinnerlicht haben.

So kann es sein, dass z.B. das Verhalten meines Partners ein körperlich abgespeichertes Gefühl triggert, dessen eigentlicher Ursprung im Verhalten eines Elternteils in der Kindheit zu finden ist. Die Beispiele hierfür sind unendlich und genauso individuell wie die Lebensgeschichte jedes einzelnen von uns. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass wir uns den Erfahrungen, die in unserem Körpergedächtnis abgespeichert sind, häufig nicht bewusst sind. So finden wir uns in Trigger-Momenten in einem emotionalen Ausnahmezustand wieder, ohne dass wir wissen, warum uns die Situation gerade so aus der Bahn wirft. Wir reagieren – zumindest aus objektiver Sicht betrachtet – unangemessen auf eine Situation und haben das Gefühl, dass wir nicht anders können. Wir sehen keine Verhaltensalternativen. Wir verlieren die Sicherheit in uns selbst und versuchen sie durch das Hin- und Herwälzen von Gedanken wiederzufinden. Doch jeder Gedanke an eine stressige oder gefährliche Situation löst zusätzlichen Stress in unserem Körper aus. So befinden wir uns in einem Teufelskreis zwischen einem Nervensystem, das sich im Überlebensmodus befindet und unseren Gedanken, die diese Situation nur noch verfestigen.

Wenn unser Nervensystem ständig in Alarmbereitschaft ist, wird echte Veränderung fast unmöglich. Denn das System ist nicht damit beschäftigt, sich zu entwickeln, sondern einzig und allein zu überleben. Vielleicht kommt dir die ein oder andere Situation auch bekannt vor:

  • Du möchtest eigentlich authentisch deine Meinung vertreten aber dein Körper reagiert mit Angst vor Ablehnung
  • Du willst zur Ruhe kommen aber dein Kopf klammert sich an sämtliche To-Do-Listen
  • Du möchtest eine glückliche Beziehung, findest dich aber immer an der Seite von toxischen Menschen wieder
  • Du willst dir selbst mehr Liebe entgegenbringen aber die Stimme in deinem Kopf sagt ständig, dass du es nicht wert bist

Das liegt nicht daran, dass mit dir etwas falsch ist – im Gegenteil. Dein Nervensystem will dich lediglich vor Gefahren und Verletzungen schützen und greift dabei auf erlernte Verhaltensweisen zurück, die unser Überleben auch in der Vergangenheit gesichert haben. Wenn du beispielsweise in einer sehr chaotischen Familie aufgewachsen bist, hast du vielleicht gelernt, dass dir immer dann Liebe entgegengebracht wird, wenn du dich möglichst unauffällig verhältst. Heute fällt es dir schwer, in Arbeits-Meetings deine Meinung offen kundzutun. Dein Nervensystem macht genau das, was es machen soll – es greift auf vergangene Erfahrungen und geeignete Verhaltensweisen zurück und wendet diese zu deiner eigenen Sicherheit im Hier und Jetzt an.

Der Schlüssel für nachhaltige Veränderung

Wahre Veränderung und emotionale Heilung beginnen daher nicht wie uns viele Coachingansätze vermitteln wollen mit einer Veränderung deiner Gedanken, sondern mit der Regulation deines Nervensystems. Wir können mit unserem Kopf alles durchdenken und kognitiv begreifen – solange die Integration nicht auf körperlicher Ebene stattfindet, wird unser autonomes Nervensystem immer schneller reagieren als unser Kopf. Wenn du lernst, dein Nervensystem zu regulieren und in einen Zustand von Sicherheit, Verbindung und Präsenz zu kommen, dann können sich alte Schutzmechanismen nach und nach lockern. Dadurch entstehen neue Räume, in denen ein neues Verhalten erlernt werden kann. Wenn wir unsere Gefühle akzeptieren und ihnen genügend Raum geben, dann lernt unser Körper, dass sie berechtigt sind. Dass wir zuhören. Dass wir sie da sein lassen und uns dennoch selbst Halt geben können. Unser Nervensystem erkennt: Damals ist nicht heute. Jetzt ist es sicher. Jetzt darf ich anders reagieren.

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Deine Viktoria

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